Ich war schon in der Schule nicht unbedingt der Mensch, der sich auf das Referat vor der Klasse gefreut hat. Das letzte Mal, dass ich vor einer Gruppe von Menschen laut vorgelesen habe, war in der 6. Klasse, wo ich auf die gloriose Idee kam, am schulweiten Vorlesewettbewerb teilzunehmen. In der Kategorie Latein. Ihr könnt euch vermutlich denken, wie erfolgreich das war.
Deshalb war ich ziemlich nervös, als mich die Anfrage für meine erste Lesung erreichte. Bis dahin war ich selbst erst einmal als Zuhörerin auf einer Lesung gewesen und der Gedanke, vor fremden Menschen etwas aus meinem eigenen Buch vorzulesen, trieb mir Schweiß auf die Stirn. Aber gleichzeitig war es auch eine Ehre, überhaupt danach gefragt zu werden. Also nahm ich all meinen Mut zusammen und stimmte zu.
Die Monate vor der Lesung habe ich mein Bestes gegeben, das Ganze so gut wie möglich zu verdrängen. Aber irgendwann rückte der Termin immer näher und ich war dazu gezwungen, mit der Vorbereitung anzufangen. Als schließlich der Tag der Lesung kam, war ich unfassbar nervös und ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Hände gezittert haben, als ich die erste Seite aufschlug.
Es war alles andere als perfekt: Ich habe mich ein paar Mal versprochen, war zu schnell und auf meine extra vorbereiteten Fragen gab es nicht viel Resonanz aus dem Publikum. Trotzdem war es eine großartige Erfahrung. Zu sehen, dass Menschen extra gekommen sind, um mich lesen zu hören. Live mitzubekommen, wie sie über bestimmte Passagen lachen oder bei anderen still werden. Die Interaktion mit Leser:innen zu haben, die einem als einsamem Schreibenden normalerweise verwehrt bleibt. Kurz gesagt: Meine erste Lesung war nicht meine letzte.
Falls du auch mal in die Situation kommen solltest, eine Lesung zu halten, gebe ich dir hier die besten Tipps mit, die mir bisher geholfen haben:
Wähle die richtigen Textstellen aus
Du kannst nicht alles aus deinem Buch lesen und das sollst du auch gar nicht, schließlich sollen die Menschen es am Ende der Lesung noch kaufen. Betrachte sie also als eine Art langen Trailer und wähle danach die Szenen aus, die du liest. Was muss dein Publikum über deine Protas, den Handlungsort und den Hauptkonflikt wissen? Und was darf es auf keinen Fall wissen, wenn sie nachher noch Freude an der Lektüre haben sollen?
Überlege dir Brücken
Natürlich kannst du in deiner Lesung ausschließlich aus deinem Werk vortragen. Aber ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, zwischen den Kapiteln kleine Anekdoten einzubauen. Die meisten Menschen, die zu Lesungen kommen, interessieren sich nicht nur für dein spezielles Buch, sondern auch für Bücher und das Schreiben an sich und werden sich wahrscheinlich freuen, ein bisschen über deine persönliche Geschichte und deinen Schreibprozess zu hören. Außerdem gibt dir das die Möglichkeit, zwischen Passagen des Vorlesens in einen natürlichen Austausch mit dem Publikum zu kommen.
Bereite deine Stimme vor
Ich bin bei weitem keine Logopädin, habe aber aus beruflichen Gründen ein paar Stunden professioneller Sprecherziehung genießen dürfen. Daher weiß ich zum einen, dass ich zum Lispeln neige und zum anderen, dass man seine Stimme ebenso trainieren sollte wie den Rest seines Körpers. Zum Aufwärmen der Zunge und Stimmbänder, aber auch zur klareren Aussprache und guten Betonung gibt es allerhand Übungen, die du online finden kannst.
Mach eine Pause
Es kann Sinn machen, eine Lesung in zwei Blöcke zu teilen. Zum einen können Menschen sich nicht zwei Stunden am Stück konzentrieren und zum anderen gibt dir das die Möglichkeit, zwischendurch mit deinen Zuhörer:innen ins Gespräch zu kommen und das ein oder andere Buch zu signieren.
Atme tief durch
Das ist echt hart, ich weiß. Ich war so nervös vor meiner ersten Lesung, dass viel zu schnell gesprochen habe. Erst nach einem Glas Wein in der Pause wurde es besser. Ich plädiere hier natürlich nicht für die Nutzung von Alkohol im Kampf gegen Lampenfieber, aber es schadet nicht, ein paar gute Werkzeuge gegen angespannte Nerven parat zu haben. Mediationen, progressive Muskelentspannung, Kräutertee oder entspannte Musik, was immer dir hilft, nutze es. Und denk dran: Am Ende ist es egal, wenn es nicht perfekt wird. Hauptsache, du hast Spaß dabei.
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